Habt ihr das Zeug für den Fotojournalismus?

Die internationale Fotografin Lena Mucha erzählt, warum man im anspruchsvollen Fotojournalismus mehr braucht als nur Ausdauer, Leidenschaft und Talent.
„Mit 18 hatte ich noch keine Ahnung, dass ich mal Fotografin werde. Ich habe Sozialanthropologie und Politikwissenschaften studiert und dabei irgendwann mit dem Fotografieren begonnen“, erzählt die freiberufliche Fotojournalistin Lena Mucha aus Deutschland. Ihre Leidenschaft dafür, die Stärke und Herausforderungen marginalisierter Gemeinschaften festzuhalten, begann mit ihrer Masterarbeit über zivilen Widerstand in Medellín, Kolumbien. Heute ist sie bekannt dafür, mit ihrer einfühlsamen Art weltweit auf Menschenrechtsthemen und gesellschaftliche Veränderungen aufmerksam zu machen. Ihre Arbeiten werden regelmäßig von renommierten Medien wie der New York Post, National Geographic, The New York Times und The Washington Post veröffentlicht.

Erfolg als Fotojournalistin
Lenas frühe Arbeit mit Nichtregierungsorganisationen zu Menschenrechts- und Geschlechterfragen war der Schlüssel, der ihr den Einstieg in die Branche ermöglichte – angefangen mit einem Auftrag in Bolivien für die New York Times. „Ich lebte damals in Kolumbien, als sie sich bei mir meldeten. Das ist mein wichtigster Ratschlag für alle, die Fuß fassen wollen: Ich bin nicht in Berlin geblieben und habe auf große Geschichten gewartet. Sondern ich bin auf eigene Faust losgezogen, um im Ausland Geschichten zu finden.“
Allerdings sollte man sich nicht leichtfertig in Konfliktgebiete begeben. Lena rät jedem, der in ihre unerschrockenen Fußstapfen tritt, sich Unterstützung zu suchen. „Es kann ziemlich beängstigend werden. Wenn ich an einen unbekannten Ort reise, verlasse ich mich immer auf einen richtig guten Fixer – eine ortskundige Person, die sich mit dem Konflikt auskennt. Die weiß, wohin man gehen sollte, und bringt mich mit den richtigen Leuten zusammen. Das habe ich zum ersten Mal genutzt, als ich für eine Reportage über die Kokainproduktion in Kolumbien fotografierte. Da wurde mir so richtig klar, wie wichtig das eigentlich ist. Die Guides verlangen viel Geld, aber sie schützen euch auch. Sie kennen die Leute, die für eure Sicherheit sorgen können. Und wenn ihr unterwegs seid, stellen sie euch Leuten vor, die ihr vielleicht fotografieren möchtet, und bürgen für euch und eure Arbeit. Als ich im Kongo war und eine Situation sehr heikel wurde, sagte mein Fixer nur: ‚Okay, los geht’s! Renn zum Auto, und ich hole dich da raus‘. Sie wissen viel besser, wann man in eine Situation hineingehen sollte – oder wann es besser ist, sie zu verlassen.“


Lena ist überzeugt, dass ein starkes Netzwerk unerlässlich ist – nicht nur, um vor Ort Unterstützung und Partner:innen zu finden, sondern auch, um mit den richtigen Leuten in Kontakt zu kommen, die über die Macht verfügen, Geschichten in Auftrag zu geben. „Ein großes Netzwerk ist wirklich wichtig“, betont sie. „Ich muss immer wissen, an wen ich mich wenden kann. Ich bin in so vielen Gruppen – Facebook, Instagram, X (früher Twitter). Man muss Teil der Online-Foto-Community werden. Sie ist sehr kooperativ. Die Vernetzung spielt eine große Rolle, nicht nur im Hinblick auf die Sicherheit, sondern auch, um Jobs zum bekommen. Es kann Jahre dauern, ein gutes Netzwerk aufzubauen – indem man auf Fotofestivals geht und Redakteur:innen anspricht oder zu ihnen fährt und sich meldet. Aber es lohnt sich. Wenn die Redakteur:innen einen nicht kennen, werden sie einem keine Geschichte anbieten.“ Ebenso wichtig wie der Aufbau von Beziehungen zu Redakteur:innen ist es, zu wissen, wie man eine Story überzeugend pitcht. „Wenn ihr eine Story pitcht, müsst ihr erklären, warum sie gut ist – also recherchiert, untersucht und setzt eure Bewerbungsfähigkeiten ein“, fügt Lena hinzu. „Man muss viel Zeit investieren. Deshalb ist es wichtig, Themen zu finden, die einen wirklich interessieren.
„Aber wenn ihr das wirklich wollt, dann konzentriert euch eine Zeit lang darauf, um wirklich gut zu werden. Und seid bereit, euch kritisieren zu lassen. Manchmal sind wir so emotional mit unseren Bildern verbunden, dass wir nicht erkennen, was vielleicht nicht so gut an ihnen ist. Seid also nicht frustriert, wenn ihr meint, dass ihr es noch nicht geschafft habt. Bleibt dran und glaubt an euch!“

So begeistert Lena von ihrem Beruf ist, so sehr ist sie auch darauf bedacht, die Herausforderungen aufzuzeigen. Angesichts der sinkenden Chancen und steigenden Konkurrenz rät Lena angehenden Fotograf:innen, genau zu überlegen, ob dies der richtige Weg für sie ist. „Mein Rat ist, sich breiter aufzustellen, denn man kann sich nicht auf Kundschaft verlassen“, empfiehlt sie. „Arbeitet also nicht nur im Fotojournalismus, sondern auch in der Werbe- oder Porträtfotografie. Oder sorgt für ein zusätzliches festes Einkommen. Und seid euch darüber im Klaren, dass ihr viele Opfer bringen müsst – ihr könnt monatelang von eurer Familie getrennt sein. Als Frau ist das sicher besonders schwer, wenn man Kinder hat.“


Beeindruckende Bilder schaffen
Einer der Gründe, warum Lena glaubt, dass ihre Arbeit so gut ankommt, ist, dass sie das Leben immer aus einer empathischen Perspektive fotografiert. „Es geht um das Gefühl“, erklärt sie. „Das fängt man ein durch die Komposition, das Licht. Die Art und Weise, wie die Leute schauen. Wohin sie schauen. Wie sie interagieren. Wenn euch das gelingt, werden die Betrachtenden fühlen, was die abgebildete Person fühlt. Dazu braucht es viel Einfühlungsvermögen. Und man kann nicht einfach so tun, als hätte man Empathie oder Interesse am Leben anderer – das muss echt sein. Ihr müsst ihr selbst sein und euch öffnen.“
Wenn es darum geht, eine kraftvolle Komposition zu schaffen, ist das Einzige, was Lena wirklich kontrolliert, ihre Kamera. „Ich kann mich höchstens bewegen, um besseres Licht zu finden. Die Komposition aber muss sich organisch ergeben“, findet sie. „Im Fotojournalismus darf man nichts inszenieren. Man kann sich nicht einmischen. Man kann lediglich nach gutem Licht suchen und sicherstellen, dass alles scharf ist. Ihr müsst auch sehr schnell sein – schnell beim Fotografieren und schnell bei der Entscheidung: ‚Okay, wir haben zwei Motive, wo soll ich hingehen?‘“
Für die meisten Exkursionen reist Lena gern mit leichtem Gepäck und entscheidet sich für ihre Nikon Z6II, zusammen mit ihrem bevorzugten Allrounder, dem NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S. Für Porträts und Low-Light-Szenarien bevorzugt sie das NIKKOR Z 50mm f/1.8 S und das NIKKOR Z 35mm f/1.8 S. „Je weniger Ausrüstung ich habe, desto flexibler bin ich und desto weniger eingeschüchtert fühlen sich meine Motive. Deshalb fotografiere ich drinnen auch immer im Modus ‚Still‘“, verrät Lena. „Es hilft mir, nicht zu einschüchternd, zu präsent oder zu laut zu wirken. Ein hörbares Klicken holt die Person aus ihren Emotionen und aus dem Moment heraus.“

Lena ist überzeugte Verfechterin des manuellen Modus. Bei der Blende nutzt sie meist Werte zwischen f/5.6 und f/7 für Szenen mit viel Bewegung und verlässt sich dabei auf den Autofokus. Für Porträts öffnet sie die Blende auf f/1.8 bis f/2.8, um sich auf die Augen oder Gesichtsausdrücke zu konzentrieren. Im Gegensatz zu vielen anderen vermeidet Lena den Serienbildmodus. „Ich nehme nur den Einzelbildmodus – dann muss ich mir Zeit nehmen und jedes Bild einzeln betrachten“, erklärt sie. „Fast wie früher zu Zeiten der analogen Fotografie, wo man nur eine Aufnahme hatte und sich gut überlegen musste, was man tut. Ich versuche, nicht zu viele Fotos zu machen. Ich schaue mir eine Szene an, und wenn das nicht das richtige Bild für mich ist, dann warte ich.“
Auch wenn Lena in der Nachbearbeitung kleine Änderungen vornimmt, ist sie der Meinung, dass es im Fotojournalismus vor allem darauf ankommt, das Licht bereits bei der Aufnahme richtig einzufangen. „Ich achte sehr darauf, das richtige Licht zu wählen“, hebt sie hervor. „Ich vermeide es, in der Mittagszeit zu fotografieren, wenn das Licht am härtesten ist. Am liebsten mag ich die blaue Stunde, sowohl am Morgen als auch am Abend, wenn das Licht weich ist. Auf diese Weise muss ich nur die Lichter leicht abdunkeln, um das Gleichgewicht zu erhalten. Denn übermäßige Nachbearbeitung kann Bilder eher wie Gemälde als wie Fotos aussehen lassen. Der Schwerpunkt sollte auf dem Foto selbst und der Geschichte liegen, die es erzählt, nicht auf der Bearbeitung. Das ist der Schlüssel, um die ursprüngliche Botschaft des Bildes zu bewahren – und darum geht es im Fotojournalismus.“
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