Wie ich das Foto gemacht habe: Olympische Sportfotograf:innen über Bildkomposition und den Einstieg in die Branche

Nikon Team Sport und Action 22 Nov. 20245 Minuten Lesezeit
Jerome Brouillet image for Nikon magazine

Olympia ist ein Höhepunkt sowohl für die Athlet:innen als auch für ihre Fotograf:innen. Wir haben erfahrene Fotograf:innen um ihre Einblicke hinter die Kulissen gebeten.

Jérôme Brouillet

Das ist der Stoff, aus dem Träume sind. Nach acht Jahren als professioneller Sportfotograf hat der auf Tahiti lebende Jérôme Brouillet das prägendste Bild des Triumphs bei den Olympischen Spielen 2024 aufgenommen: Der brasilianische Surfer Gabriel Medina steht in der Luft, zeigt mit dem Finger in den Himmel und dankt Gott für die Welle. Das Bild ging innerhalb von Minuten viral. Wie hat er das gemacht?

Das waren deine ersten Olympische Spiele. Wie hat sich das angefühlt?

Das war der schönste Moment in meiner Karriere. Ich lebe und verfolge unseren lokalen Surfer Kauli Vaast seit zehn Jahren. Dass Kauli in dem winzigen Dorf Teahupo'o gewann und nicht nur ein Lokalheld, sondern auch ein Olympiasieger wurde, war wunderbar und in vielerlei Hinsicht emotional. Ich hatte noch nie so viele Menschen am Strand von Teahupo'o gesehen und werde es wahrscheinlich auch nie wieder sehen!

Du fotografierst also nicht zum ersten Mal in Teahupo'o?

Ich arbeite seit drei Jahren mit Agence France-Press zusammen, war also auf dieses Weltereignis vorbereitet und fotografiere seit 2017 professionell das Surfen in Teahupo'o. Ich bin mit dem Surfen und Surfmagazinen aufgewachsen.

Wie kam es zu dem Foto von Gabriel Medina?

Es war 9.30 Uhr am dritten Wettkampftag, und wir wussten, dass die Wellen höher waren als erwartet. Es war, als wären wir für unsere Geduld belohnt worden. Gabriel war zu unserer Rechten und die Welle fegte hinter unserem Presseboot her, während er kurz aus dem Blickfeld verschwand. Ich hatte meine Z9 und das NIKKOR Z 100-400mm f/4.5-5.6 VR S für seinen Kickout (den Sprung aus der Welle) positioniert und wusste, dass er etwas anderes machen musste, weil die Welle so hoch war. Ich hatte Recht.

Jerome Brouillet's surfing images for Nikon magazine
Z9 + NIKKOR Z 100-400mm f/4.5-5.6 VR S, 100 mm, 1/1600 s, f/4.5, ISO 220, ©Jérôme Brouillet

Wie lange hat es gedauert, bis das Foto viral ging?

Ich habe sechs Fotos von Gabriel beim Surfen gemacht und acht von ihm in der Luft. Fünf Minuten nachdem ich die Bilder aufgenommen hatte, wählte ich die besten aus, schloss die Kamera ans Smartphone und schickte sie an die Redaktion. Die Fotos wurden 30 Minuten später erstmals in Time Brazil veröffentlicht. Kurz danach kamen lauter Benachrichtigungen rein.

Dein Smartphone hat wohl nicht mehr stillgestanden…

Nach Gabriel war ich auf dem Weg zum nächsten Surfer – ich hatte nur sechs Minuten zwischen den Wettkämpfen. Am Mittag, nachdem der Wettbewerb beendet war, war meine Instagram-Followerzahl gestiegen und ich hatte sieben E-Mails mit der Bitte um Presseinterviews erhalten. Ich dachte: „Was ist da nur los?“

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Z9 + NIKKOR Z 100-400mm f/4.5-5.6 VR S, 400 mm, 1/60 s, f/18, ISO 100, ©Jérôme Brouillet

Hast du irgendeine Kontrolle über die Position des Bootes?

Aus Sicherheitsgründen gibt es wenig bis keine Bewegungsfreiheit während des Wettbewerbs. Der Kapitän schafft es, im Sperrgebiet zu bleiben und gleichzeitig das Boot in die ideale Position zu bringen, um den besten Blick auf das Geschehen zu haben.

Wie waren deine Kameraeinstellungen?

Ich fotografiere in RAW und im manuellen Modus. Ich verwende immer AF-C und den Serienbildmodus mit 10 Bildern pro Sekunde und einer Verschlusszeit von 1/1250 oder 1/2000 Sekunden, je nach Foto. Normalerweise bevorzuge ich f/8 und ISO-Automatik, weil das Wetter so wechselhaft sein kann. Mein Weißabgleich ist auf „sonnig“ eingestellt, etwa 5500 K. Ich sende meine Dateien als HEIF.

Wie hat die Z9 abgeschnitten?

Die Augenerkennung der Z9 verfolgt immer die Augen des Surfers, egal ob auf dem Board oder im Wasser. Die Kamera ist fantastisch. Ich liebe die anpassbaren Bedienelemente. Ich habe das 3D-Tracking auf das individuelle Steuerelement des Objektivs eingestellt.

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Z9 + NIKKOR Z 100-400mm f/4.5-5.6 VR S, 400 mm, 1/80 s, f/9, ISO 64, ©Jérôme Brouillet

Wie sieht es mit den Objektiven aus?

Das NIKKOR Z 100-400mm f/4.5-5.6 VR S ist das beste Objektiv für Wettkämpfe, wenn ich Vielseitigkeit möchte und in einem Boot sitze und der Surfer weiter weg ist. Das NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S ist an meiner zweiten Z9. Ich liebe es, weit zu fotografieren, wenn ich die Menschenmenge oder die großen Teahupo'o-Wellen einfange.

Was macht eine gute Aufnahme aus?

Ein gutes Foto ist künstlerisch. Ich verwende gerne einen Weitwinkel, um das Kräuseln der Welle oder den Surfer inmitten der Weite des Meeres einzufangen. Ich möchte nicht zu sehr hineinzoomen. Ich ziehe es vor, mehr von der gesamten Szene zu zeigen.

Welchen Tipp hast du für angehende Fotograf:innen?

Kameras sind heute so leistungsfähig. Sogar noch leistungsfähiger, wenn man sie zu benutzen weiß. Vorbereitung ist das Wichtigste. Vor allem, wenn man den ganzen Tag auf einem Boot festsitzt oder eine mehrtägige Fotoreise unternimmt. Ihr braucht zwei Kameras, Objektive, Wasserflaschen, Essen, Sonnencreme, Regenjacke und mehr Akkus, als ihr für möglich haltet. Man kann nicht für die beste Veranstaltung arbeiten, ohne auf jede Situation vorbereitet zu sein. Ihr müsst euren Kunden die Aufnahmen liefern, egal wie. Die Guten, aber auch die Schlechten! Das bedeutet es für mich, ein Profi zu sein.

Pauline Ballet

Nikon Ambassador Pauline Ballet aus Paris hat nicht nur einmal, sondern gleich zweimal Olympische Spiele fotografiert. Als Spezialistin für den Radsport fotografiert die freiberufliche Fotograf:in für zahlreiche Sportmagazine und internationale Veranstaltungen wie die French Open und die Tour de France.

Was macht die Olympischen Spiele so magisch?

Sport vermittelt so viele Emotionen, von Freude bis Frustration. Bei den Olympischen Spielen (das erste Mal 2021 in Tokio und 2024 bei den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris) erlebt man die beeindruckenden Leistungen der Athletinnen und Athleten – du bist mit ihrer Energie verbunden. Ich bewege mich durch die pausenlosen Wochen, umgeben von den besten Fotograf:innen der ganzen Welt. Das treibt mich an. Es spornt mich an, mein Bestes zu geben und dran zu bleiben.

Das steckt in der Kameratasche

Zwei Nikon Z9, die Objektive NIKKOR Z 85mm f/1.2 S, NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, NIKKOR Z 70-200mm f/2.8 S und das NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S. Je nach Sportart habe ich auch ein NIKKOR Z 400mm f/2.8 S oder NIKKOR Z 600mm f/4 S dabei. Ich habe ein Einbeinstativ, fünf Akkus für die Z9, einen WLAN-Dongle, zwei R45-Kabel, mein Presse-Leibchen, fünf XQD-Speicherkarten, zwei Reinigungstücher und -sets. Und genug Müsliriegel.

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Z9 + NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S, 31 mm, 1/20 s, f/4, ISO 50, ©Pauline Ballet

Kann man jemals genug Objektive haben?

Sport ist technisch anspruchsvoll. Man muss verschiedene Entfernungen abdecken und Objektive oder Einstellungen in kürzester Zeit wechseln können. Mein Setup ist schon vorbereitet, aber man muss die Bewegungen der Athlet:innen vorhersehen und auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein. Sicher ist, dass sich die Athlet:innen bewegen werden…

Manuell oder Autofokus?

Manuell. Ich muss und möchte alles kontrollieren, jederzeit. Mit dem elektronischen Sucher ist das sogar noch einfacher. Damit ist es fast unmöglich, die Belichtung zu verfehlen.

Kannst du jede Sportart bei den Olympischen Spielen fotografieren?

Das ist unmöglich. Als freiberufliche Fotografin habe ich in Paris für die französische Agentur KMSP und das französische Olympische Komitee gearbeitet. Sie geben einen strengen Zeitplan vor, aber wir hatten das Glück, jeden Tag die Sportart zu wechseln. Es ist anstrengend, die Ausrüstung zu verschiedenen Orten zu schleppen – vor allem, mit öffentlichen Verkehrsmitteln – aber das ist mir viel lieber, als am selben Ort zu bleiben!

Pauline Ballet images for Nikon magazine
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Links oben: Z9 + NIKKOR Z 70-200mm f/2.8 S, 101 mm, 1/2500 s, f/5.6, ISO 320, ©Pauline Ballet. Rechts unten: Z9 + NIKKOR Z 70-200mm f/2.8 S, 165 mm, 1/5 s, f/16, ISO 64, ©Pauline Ballet

Wie streng ist deine Position vorgegeben?

Die Regeln für Fotopositionen während der Olympischen Spiele sind sehr streng. Abhängig von deinem Leibchen und der Agentur darfst du nicht überall hin. Ich konnte meine Position nicht im Vorfeld planen. Aber ich kam immer mehr als zwei Stunden vor Beginn des Wettbewerbs am Veranstaltungsort an, um meine bevorzugte Position zu bekommen. Bei der Leichtathletik kam ich drei Stunden früher, um mir die gewünschte Position in der Nähe der Ziellinie zu sichern!

Mit deinem Wissen gewinnst du sicher jedes Sportquiz?

Es ist wichtig, zumindest die Regeln zu kennen! Wenn man den Sport versteht, den man fotografiert, kann man das Geschehen vorhersehen. Wenn man den Sport nicht kennt, kann man kreativer sein und ihn anders sehen – aber wenn ich eine neue Sportart fotografiere, bin ich gestresster…

Was ist, wenn etwas schief geht?

Manchmal unterlaufen einem Fehler bei der Positionierung, und man kann sich nicht bewegen. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und werde besser, indem ich meine Komfortzone verlasse. Stress ist mein Treibstoff, um mein Bestes zu geben. Ich glaube auch, dass Abwechslung sehr gut für die Kreativität ist und dass das Entdecken neuer Sportarten bessere Fotograf:innen macht.

Was ist für dich ein gutes Foto?

Es ist dieser magische Moment, wenn große Gefühle oder Action auf gutes Licht und einen freien Hintergrund treffen. Vielleicht fängt man einen Moment der Geschichte ein.

Lieblingssportart bei den Olympischen Spielen?

Bahnradsport. Ich liebe das Spiel mit der Geschwindigkeit, der Strecke, der umgebenden Architektur und den Zuschauern.

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Rechts/oben: Z9 + NIKKOR Z 400mm f/2.8 TC VR S, 400 mm, 1/3200 s, f/5, ISO 125, ©Pauline Ballet. Links/unten: Z9 + NIKKOR Z 600mm f/4 TC VR S, 600 mm, 1/2500 s, f/4, ISO 2500, ©Pauline Ballet

Sprechen wir über deinLieblingsfoto von den Olympischen Spielen 2024 (oben). Worum geht es dabei?

Ich sollte die französische Sportlerin Ninon Chapelle fotografieren. Ich war vorher noch nie auf der Leichtathletikbahn gewesen – aber ich hatte beeindruckende Fotos von den anderen Wettkämpfen gesehen und freute mich darauf. Ich wollte den Stabhochsprung unbedingt aus einem niedrigen Winkel fotografieren, aber als ich an meinem Standort ankam, war ich enttäuscht, weil die Beleuchtung vom Stade de France ein starkes Gegenlicht erzeugte und ich mit meinem 400-mm-Objektiv zu kurz kam. Bei Testaufnahmen von verschiedenen Athlet:innen beim Aufwärmen habe ich etwas unterbelichtet und genau das Gegenteil von dem eingefangen, was ich ursprünglich im Sinn hatte: die umstehenden Helfenden und das Equipment mit einer markanten Silhouette in der Mitte der Linien, um das Auge zu lenken und das Bild zu trennen.

Was war die wichtigste Lektion als Fotografin bei den Olympischen Spielen?

Ich habe viel über meine Geduld und meine Grenzen gelernt. Es ist immer wieder erstaunlich, wozu man mit Leidenschaft und Entschlossenheit fähig ist.

Bildunterschrift oben: Z9 + NIKKOR Z 100-400mm f/4.5-5.6 VR S, 100 mm, 1/1600 s, f/8, ISO 280, ©Jérôme Brouillet via AFP.

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