„Mit meiner Kamera gebe ich der Wissenschaft ein Gesicht“

Die Polar-Fotografin Esther Horvath über die Zusammenarbeit mit Klimawissenschaftler:innen, monatelange Aufenthalte in der Arktis und die Sinnhaftigkeit in der Fotografie
Die Dokumentar- und Porträtfotografin Esther Horvath hat viele Jahre in den Polarregionen verbracht und die Geschichten der Klimaforscher:innen aufgezeichnet. Ihre Arbeit ist durchdrungen vom Sinn dahinter. Etwas, das sie in ihrer Fotografie immer angestrebt hat. Das Nikon Magazin hat Esther über ihre jüngste Reise nach Spitzbergen befragt – und ihren Antrieb, wichtige Geschichten zu erzählen.


Hast du dir zuerst überlegt, welchen Sinn deine Arbeit stiften soll – und die Fotografie war der Weg, um ihn auszudrücken?
Ursprünglich wollte ich Buchillustratorin werden und Geschichten zeichnen. Aber ich hatte Angst, diesen Weg einzuschlagen. Als ich dann meine erste Kamera bekam, eine Nikon Coolpix, wurde mir klar, dass ich auch mit Fotos Geschichten auf visuelle Weise erzählen konnte.

Dich hat es in die Polarregionen gezogen. Warum sind sie dir so wichtig?
2015 war ich zum ersten Mal am Arktischen Ozean. Ich wusste sofort, dass ich meine Fotografie genau dieser Region widmen wollte. Ich wollte mit Wissenschaftler:innen zusammenarbeiten, ihre Geschichten erzählen und über den Klimawandel berichten. Meine Kamera ist tatsächlich ein Tool für die Wissenschaftskommunikation. Mit ihr gebe ich der Wissenschaft ein Gesicht.

Was kann die Fotografie deiner Meinung nach leisten, was andere Kommunikationsformen nicht können?
Unsere Erinnerungen bestehen aus Bildern. Ohne Fotografie wüssten wir so viel weniger über die Welt um uns herum. Auch Geschichte wird seit der Erfindung der Kamera mithilfe der Fotografie dokumentiert. Ich habe mir vor Kurzem den Film über Lee Miller angesehen und er war fantastisch. Ohne sie und andere Fotograf:innen, die diesen Teil der Geschichte eingefangen haben, wüssten wir so wenig.

Wenn du im Einsatz bist, siehst du dich eher als Beobachterin oder als Teilnehmerin – oder ein bisschen von beidem?
Ich möchte immer Beobachterin sein. Ich möchte die Geschichten der Wissenschaftler:innen erzählen, die Fakten, ihre Forschung und ihre Ergebnisse aufzeigen, aber aus der Sicht der Beobachterin. Ich bin begeistert von der Wissenschaft selbst und davon, wie sie betrieben wird. Der Klimawandel geschieht nicht an einem Tag. Um ihn zu verstehen, brauchen wir Langzeitbeobachtungen. Das Engagement der Menschen, die das tun, fasziniert mich wirklich.

Bei deiner letzten Reise nach Spitzbergen ging es darum, Abfälle zu beseitigen, die eine Gefahr für Tiere sind. Wie war das?
Es war wirklich inspirierend und auch herzzerreißend. Die Menschen, die auf der Insel aufräumen, sind alle Freiwillige, die ihre Zeit opfern. Am schlimmsten waren die toten oder sterbenden Rentiere, die sich in Fischernetzen verfangen hatten. Das ist ein großes Problem. Wenn ein Fischernetz ans Ufer gelangt, verfängt sich darin fast garantiert ein Rentier. Wir haben in den zehn Tagen viele Rentiere gefunden.

Inwiefern war diese Reise anders als andere Einsätze?
Es war das erste Mal, dass ich im Sommer in der Arktis war. Genau genommen habe ich dieses Jahr etwa zweieinhalb Monate in 24-Stunden-Tageslicht verbracht. Spitzbergen grün und ohne Schnee zu sehen, war eine ganz andere Landschaft.

Welche Ausrüstung hattest du für dieses Projekt dabei?
Meine neue Lieblingskamera, die Nikon Z8. Ich hatte zwei Z8 dabei, eine mit dem NIKKOR Z 24-70mm f/2.8 S und die andere mit dem NIKKOR Z 70-200mm f/2.8 S. Außerdem ein Stativ für gelegentliche Videos oder Porträts und eine Lampe. Es war körperlich sehr anstrengend. Wir sind viel gelaufen, haben viel Müll gesammelt und natürlich hatte ich auch meine Ausrüstung zu tragen. Aber es fühlt sich gut an, etwas für den Planeten zu tun.

Du hast in deiner Arbeit in den letzten zehn Jahren viele Veränderungen in den Polarregionen dokumentiert ...
Ich besuche regelmäßig eine Forschungsstation, die einen Gletscher in der Nähe hat. Dieser hat sich in den letzten 25 Jahren um 4 km zurückgezogen, zwei davon in den letzten fünf oder sechs Jahren. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er sich zurückgezogen hat. Es ist wirklich schockierend.

Ist es heute schwieriger, so eine Wirkung mit Fotos zu erzielen wie im 20. Jahrhundert Fotograf:innen wie Lee Miller und Robert Capa?
Wir leben in einer anderen Zeit. Viele fragen: „Hast du keine Angst, dass jeder eine Kamera und ein Telefon hat und alle Fotograf:innen sind?“ Meine Antwort lautet, dass es wie mit den Wissenschaftler:innen ist, die ich kenne. Ich kann rausgehen und Schneeproben nehmen, aber ich habe keine Ahnung, was ich damit anfangen soll – wie ich aus diesen Proben eine wissenschaftliche Arbeit machen soll, wie ich sie bei den Fachjournalen einreichen soll. So ist es auch bei der Fotografie. Ja, es gibt viele Leute, die fotografieren. Aber die Bilder müssen eine bestimmte Qualität haben. Die Fotograf:innen müssen wissen, wie sie ihre Bilder in Zeitschriften, in Ausstellungen und auf Plattformen bringen können, wo sie eine Wirkung entfalten können.
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